Women only – Eintritt nur für Frauen

«Gute Mädchen bleiben zuhause und kümmern sich um die Familie.» So denken viele Leute in Bangladesch. Was aber, wenn das Geld in eben diesem Zuhause fehlt? Wenn das, was gesellschaftlich verlangt wird die eigene Existenz bedroht? Fünf Frauen in unserem Projekt in Bangladesch stellen sich der unmöglich scheinenden Challenge.

Fünf junge Bangladescherinnen teilten einen Traum: finanziell unabhängig werden mit einem eigenen, nachhaltigen Unternehmen. In diesem Bericht nennen wir sie Sharmin, Salma, Nasrin, Rima und Amena. Wären sie in einem anderen Land, vielleicht sogar in einer anderen Region ihres Landes geboren, wäre ihr Traum weder ungewöhnlich noch unmöglich gewesen. In ihrer Kultur jedoch kam er einer Bergerstbesteigung gleich – ausgerüstet mit Flipflops und einem seidenen Kleid.

Geduldiges Lernen und ein langer Atem

Sharmin, Salma, Nasrin, Rima und Amena gingen alle in die Schule, jedoch schlossen sie nicht alle ab. Sharima beispielsweise musste ihre Ausbildung unterbrechen, da sie sich um ihre Familie kümmern musste. Ihr und ihren künftigen Kolleginnen drohte ein Leben ohne eigenständige Perspektiven. Unabhängig voneinander – die jungen Frauen kannten sich zu dieser Zeit noch nicht – hörten sie in ihrer Frauengruppe von der Möglichkeit, einen Nähkurs zu besuchen. Die jungen Frauen fingen Feuer und wurden ausgewählt, den Nähkurs zu besuchen. In der achttägigen Schulung lernten die Mädchen einen wertvollen Einstieg ins Schneiderhandwerk. Wieder zuhause – der Kurst fand ausserhalb ihres Dorfes statt – begannen die Mädchen das Gelernte mit vielen Stunden Näharbeit weiter zu üben und produzierten ihre ersten Kleidungsstücke.

Überzeugungsarbeit in der Familie

Nach über einem Jahr einsamer Näharbeit wurde der Wunsch gross, ein eigenes Nähunternehmen zu gründen. Die Eltern und die Gemeinde lehnten die Gründung jedoch strikt ab, da es in der Region gang und gäbe war, dass Frauen kein Einkommen erzielen und sich ausschliesslich um den Haushalt kümmern. Hilfe von aussen musste her und so wandten sich die nähbegeisterten Frauen mit ihrem Anliegen an Sathi, die Partnerorganisation von ena vor Ort. Mitarbeitende von Sathi besuchten daraufhin die Eltern der Mädchen und konnten sie überzeugen, dass dieses Business eine sinnvolle und gewinnbringende Idee sei.

Eine Frau aus Bangladesch sitzt an ihrer Nähmaschine.
(Fast) revolutionär: Ein Geschäft von Frauen für Frauen.

Die entscheidende Starthilfe

Sathi sicherte die jungen Unternehmerinnen weiter ab und schloss mit ihnen einen Vertrag, der es ihnen ermöglicht, ihr Business nach der Aufgleisung weiter voranzutreiben, auch ohne die Unterstützung der Partnerorganisation. Als Teil dieser Abmachung erhielt das Neuunternehmen vier Nähmaschinen als Leihgabe. Sharmin, Salma, Nasrin, Rima und Amena machten sich in einem nächsten Schritt an einen Businessplan mit einem geteilten Startkapital von 40’000 Taka (umgerechnet knapp CHF 300). Mit dieser Grundlage und als eingetragenes Unternehmen erhielten sie die offizielle Handelslizenz der Regierung. Ihrem grossen Traum – der finanziellen Unabhängigkeit – stand nichts mehr im Wege. Auf jeden Fall fast nichts mehr.

Die grosse Ernüchterung

Obwohl das Unternehmen auf dem Papier startklar war, liessen die Herausforderungen nicht lange auf sich warten. Die Geschäftsgruppe wurde von der Gemeinde und den religiösen Führern nicht akzeptiert: Das Geschäft liege in der Nähe eines männerdominierten Marktes und als «anständige Mädchen» sollten sie sich nicht ums Geldverdienen kümmern. «Das bringt Schande über die Familie», war die allgemeine Auffassung. Doch die Unternehmerinnen liessen sich nicht so einfach unterkriegen.

Stolz zeigen die Unternehmerinnen aus Bangladesch ihre selbstgenähten Kleider.
Stolz zeigen die Unternehmerinnen ihre Arbeit.

Überzeugende Argumente

Sharmin und ihre Kolleginnen führten viele Diskussionen. In ihren Gesprächen mit den religiösen Führern erklärten sie mit Nachdruck, wie ihr Geschäft und die daraus erwirtschafteten Erträgen auch ihren Familien zugutekäme. Durch dieses Einkommen könnte verhindert werden, dass die eigene Familie in Armut leben muss.

«Women only»

Die Überzeugungsarbeit zeigte Früchte und die religiösen Führer gaben dem Business grünes Licht. Jedoch nur unter zwei Bedingungen: Die Unternehmerinnen müssten einen Hidschab oder Burka tragen und das Geschäft dürfe nur von Frauen betrieben und besucht werden. Am Eingang des Schneidergeschäfts hängt nun ein Schild «Women only», nur Frauen erlaubt. Dazu schützen Vorhänge das Geschäft vor ungewollten (männlichen) Blicken.

Selbstgenähte Kleider aus Bangladesch.
Genäht wird, was die Kundin wünscht.

Von der Auflage zum Vorteil

Was als Auflage gedacht war, wurde zum grossen Vorteil für das Unternehmen: Die Kundinnen freuen sich, dass sie in der einzigen weiblichen Schneiderei in der Gegend ihre Kleidung kaufen können und fühlen sich in dem reinen Frauenbetrieb wohl und verstanden. Die meisten anderen Geschäften werden von Männern betrieben. Das Geschäft ist erfolgreich und es liegen viele Bestellungen vor. Sharima freut sich: «Wir können jetzt unsere Familie unterstützen. Mein Vater starb, als ich noch jung war. Meine Familie musste kämpfen, um über die Runden zu kommen. Jetzt habe ich mein eigenes Geld.»

ena-Mitarbeitende zu Besuch im Nähshop in Bangladesch.